Wertschöpfung ist ein zentraler Begriff aus der Betriebswirtschaftslehre und der Volkswirtschaftslehre. Der Begriff bezieht sich auf die produktive Tätigkeit in einem einzelnen Unternehmen, einer Branche oder in der gesamten Volkswirtschaft. Je nach Perspektive auf die Produktion (gesamtwirtschaftlich oder einzelwirtschaftlich) können mit Hilfe dieser Größe verschiedene Aussagen getroffen werden.
Inhalt
Wann findet Wertschöpfung statt?
Werte werden dann geschöpft, wenn ein Unternehmen Güter herstellt, um diese abzusetzen. Dabei kann es sich um materielle oder nicht materielle Güter handeln, also um Sachgüter oder Dienstleistungen. Beim Verkauf der Güter erzielt der Produzent einen Umsatz. Abzüglich der Produktionskosten ergibt sich hieraus der Unternehmensgewinn. Dieser Gewinn ist aber nur ein Teil der Wertschöpfung. Denn nicht alles, was an neuen Werten entsteht, kann der Produzent als Gewinn beanspruchen.
Fast jeder Produzent setzt bei der Herstellung der Güter Arbeitskräfte ein, die er entlohnen muss. Dies können sowohl Angestellte sein als auch der Unternehmer selbst. Ein Teil der Wertschöpfung beansprucht also der Produktionsfaktor Arbeit. Die Arbeitskräfte beziehen aus ihrer Arbeit einen Lohn, den sie ohne die Produktion dieser Güter nicht hätten. Grundsätzlich gilt also:
Wertschöpfung = Löhne + Gewinne
Aussagekraft der Wertschöpfung
Die Wertschöpfung ist eine geeignete Messgröße für die tatsächliche wirtschaftliche Leistung eines Unternehmens, einer Branche oder der gesamten Volkswirtschaft. Der Unterschied zwischen Produktionswerten und Wertschöpfung
wird an folgendem Beispiel verdeutlicht. In einer Volkswirtschaft existieren drei Unternehmen, die jeweils ein Produkt herstellen: ein Landwirt, ein Müller und ein Bäcker.
- Der Landwirt stellt Getreide her und verkauft dieses zu einem Preis von 100 Euro an den Müller. Für die Produktion des Getreides entstehen dem Landwirt Kosten für die Entlohnung der Arbeitskräfte in Höhe von 50 Euro und für die Pacht in Höhe von 20 Euro. Ihm bleibt also ein Unternehmensgewinn in Höhe von 30 Euro.
- Der Müller verwendet das Getreide als Vorleistung für die Produktion von Mehl. Außerdem benötigt er Arbeitskräfte, die mit 60 Euro entlohnt werden. Seine Pacht beträgt 40 Euro. Das Mehl verkauft er an den Bäcker zu einem Preis von 300 Euro. Ihm bleibt also ein Unternehmensgewinn in Höhe von 100 Euro.
- Der Bäcker verwendet das Mehl als Vorleistung. Er bezahlt seinen Arbeitskräften einen Lohn in Höhe von 100 Euro. Seine Pacht beträgt 50 Euro. Das Brot hat einen Wert von 600 Euro. Ihm bleibt also ein Unternehmensgewinn in Höhe von 150 Euro.
Es ergeben sich nun folgende Produktionswerte:
Landwirt: 100 Euro (Getreide)
Müller: 300 Euro (Mehl)
Bäcker: 600 Euro (Brot)
Wenn man diese einzelnen Produktionswerte addiert, erhält man den gesamtwirtschaftlichen Produktionswert in Höhe von 1000 Euro. Wenn die hergestellten Güter vollständig verkauft werden, dann entspricht dieser Produktionswert dem Verkaufserlös. Dies ist nicht die Wertschöpfung, denn in den Produktionswerten sind Vorleistungen enthalten. Die Vorleistungen, die der Müller bei der Produktion nutzt, sind
bereits im Produktionswert des Landwirts inkludiert. Entsprechend sind die Vorleistungen, die der Bäcker bei der Produktion nutzt, bereits im Produktionswert des Müllers enthalten. Um die Wertschöpfung zu ermitteln, muss man also diese Vorleistungen herausrechnen. Anderenfalls würde dieselbe Leistung mehrfach gezählt und die Leistung der Volkswirtschaft würde höher ausgewiesen, als sie wirklich ist. Beide Vorleistungen zusammen betragen in diesem Beispiel 400 Euro. Es ergibt sich demzufolge die Rechnung: 1000 Euro – 400 Euro = 600 Euro. Dies entspricht dem Wert des zuletzt hergestellten Guts (Brot). Allgemein gilt demzufolge die Formel:
Gesamtleistung – Vorleistungen = Wertschöpfung
Die Wertschöpfung teilt sich in diesem Fall wie folgt auf:
Gewinne = 390 Euro (Entlohnung des eingesetzten Produktionsfaktors Kapital)
Löhne = 210 Euro (Entlohnung des eingesetzten Produktionsfaktors Arbeit)
Die Gewinne bestehen aus den Unternehmensgewinnen und den gezahlten Pachten.
Bruttowertschöpfung und Bruttoinlandsprodukt
Sind in der Wertschöpfung die Abschreibungen enthalten (Werteverlust durch Maschinenverschleiß), spricht man von der Bruttowertschöpfung. Die Bruttowertschöpfung lässt sich auch als Bruttoinlandsprodukt in Herstellungspreisen bezeichnen. Diese Bewertung entspricht den reinen Faktorkosten (für Arbeit und Kapital). Dies bedeutet, dass der Einfluss des Staates bei den Herstellungspreisen nicht ins Gewicht fällt. Soll dieser staatliche Einfluss mit einbezogen werden, müssen zwei Größen berücksichtigt werden: die indirekten Steuern und die Subventionen. Indirekte Steuern (wie zum Beispiel die allgemeine Umsatzsteuer, die Energiesteuer, Tabaksteuer, Kaffeesteuer oder Biersteuer) tragen dazu bei, dass ein Produkt auf dem Markt teurer ist, als es von den Herstellungskosten her eigentlich sein müsste. Umgekehrt tragen Subventionen dazu bei, dass ein Produkt auf dem Markt billiger ist, als es von den Herstellungskosten im Regelfall wäre. Hieraus ergibt sich die Formel:
Bruttowertschöpfung + indirekte Steuern – Subventionen = Bruttoinlandsprodukt in Marktpreisen.
Wertschöpfung und Volkseinkommen
Sind bei der Wertschöpfung die Abschreibungen herausgerechnet, spricht man von der Nettowertschöpfung. Diese Größe ähnelt dem Volkseinkommen, die in Deutschland eine häufig gebrauchte Messgröße ist. Die verbreitete Abkürzung dafür ist Y (für Yield). Ein Unterschied besteht zwischen diesen beiden Größen: Die Nettowertschöpfung errechnet sich nach dem Inlandskonzept. Dies bedeutet: Es gilt der Wert der Güter,
deren Produktion im Inland stattfindet(egal von wem). Das Volkseinkommen dagegen berechnet sich nach dem Inländerkonzept. Heißt: Man beschreibt den Wert der Güter, die von Inländern entstanden sind (egal wo). Das Volkseinkommen entspricht demzufolge der Summe aus Gewinnen und Löhnen der Inländer, also aller Wirtschaftssubjekte, die ihren Wohnsitz bzw. Firmensitz im Inland haben.
Was bedeutet Wertschöpfungstiefe?
Die Wertschöpfungstiefe (oder Fertigungstiefe) ist eine Messgröße für den Umfang, in dem das Unternehmen selbst zu seinem Produkt beigetragen hat. Umgekehrt lässt sich ermitteln, in welchem Ausmaß andere Unternehmen zu dem Produkt beigetragen haben. Folgende FOrmel berechnet die Wertschöpfungstiefe:
(Herstellungskosten – Materialkosten) : Herstellungskosten.
Ein Unternehmen, das für die Produktion ausschließlich Rohstoffe einsetzt, hat demzufolge eine größere Wertschöpfungstiefe als ein Unternehmen, das viele Vorprodukte einkauft. Manche Unternehmen entscheiden sich, eine Fabrik oder ein anderes Unternehmen zu kaufen bzw. aufzubauen, um die entsprechenden Güter selbst zu produzieren. In diesem Fall wird die Wertschöpfungstiefe ausgeweitet. Man bezeichnet dies auch als vertikale Integration. Vorgelagerte Produktionsstufen werden in den eigenen Herstellungsprozess integriert.
Entscheidung Make or Buy
Die Wertschöpfungstiefe ist Resultat der Make-or-buy Entscheidung. Oft hat der Produzent die Wahl, ob er selbst produziert oder die Leistung einkauft. Bei dieser Make-or-buy Entscheidung können die Kosten für Eigenproduktion und für Fremdbezug verglichen werden. Wenn für die Eigenproduktion die Anschaffung neuer Maschinen erforderlich ist, sollte vorab geprüft werden, ab welcher Produktionsmenge sich diese Anlagen amortisiert haben. Lesen Sie hier alles zu Make-or-buy.
Claudia Rothenhorst ist Medien- und Reise-Redakteurin bei der Web-Redaktion. In ihrer Freizeit reist sie gerne und schreibt darüber unter anderem auf Reisemagazin.biz.
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